Die Sehnsucht nach Nähe und Geborgenheit wird dem Menschen buchstäblich „in die Wiege gelegt“. Im schützenden Mutterleib kann sich das werdende Kind unter normalen Umständen gesund entwickeln, genießt und profitiert unbewusst von der direkten Verbindung zur Mutter. Als Neugeborenes empfindet es den Körperkontakt, die Wärme, die Nahrungsquelle, die Zärtlichkeiten und das liebevolle Umhegen als wohltuend. Diese Gegebenheiten sowie Handlungsweisen sind für das kleine Wesen lebensnotwendig und tragen zur Geborgenheit bei. Der Säugling hat ein „Urvertrauen“ gegenüber den Menschen, die es gut mit ihm meinen.
Im menschlichen Leben wird auch von „Nestwärme“ gesprochen, die ihren Ursprung im Tierreich hat. Das Aneinanderkuscheln sorgt beim Menschen wie ebenfalls bei Tieren für wohlige Wärme und das Gefühl der Geborgenheit. Das Lebewesen fühlt sich nicht allein. Es ist ein friedlicher Zustand, von dem kaum etwas Böses zu erwarten ist.
Was bedeutet Nähe und Geborgenheit?
Die Definition Nähe umfasst mehrere Formen im menschlichen Dasein. Es gibt eine gewollte und ungewollte, aufgezwungene Nähe. Sehnt sich der Mensch nach der Nähe eines anderen Menschen oder des Partners, wird das durch Zuneigung, Sympathie, Sehnsucht und Verlangen forciert. Nähe im „Herdenverhalten“ ist ein Ausdruck von Zugehörigkeit und Verbundenheit zu diesen Spezies.
Nähe im Zwischenmenschlichem ist meist mit körperlicher Berührung, Vertrautheit und Intimität verbunden. Einem Menschen nah zu sein heißt aber auch, selbst auf Distanz und großen Entfernungen auf geistiger Ebene eine enge Verbindung herzustellen, die einem Glücksgefühl gleichkommt und dem Geborgensein dient. Wie oft hat in schwierigen Lebenssituationen ein Brief vom geliebten Menschen hinweggeholfen. Einem trauernden Menschen nah zu sein kann den Schmerz lindern. Nähe am Krankenbett zu praktizieren ist nicht nur eine Wohltat, sondern trägt zum Genesungsprozess bei. Selbst, wenn die menschliche Wahrnehmung durch eine schwere Erkrankung beeinträchtigt ist, wird der Betreffende bis zu einem gewissen Grad die positive Nähe anderer als etwas Gutes empfinden.
Für einen Säugling ist innerhalb seines ersten Lebensjahres die Welt in Ordnung, fast „paradiesisch“. Die Wahrnehmung sowie das angenehme Empfinden ist auf die Mutter, ihre Nähe und deren Fähigkeit, den Hunger zu stillen, fixiert. Das Geborgensein in ihren Armen, die Wärme und Sicherheit zu verspüren, prägen das Urvertrauen, das für die weitere Entwicklung enorm wichtig ist. Wenn aus verschiedenen Gründen das nicht vermittelt werden kann, werden solche Menschen ein Leben lang unter diesem Defizit leiden.
Geborgenheit – ein durch nichts zu ersetzendes Lebensgefühl
Geborgenheit ist die Quintessenz aus Sicherheit, Nähe, Wärme, Ruhe, Frieden, Wohltaten, Zuneigung und sicherer Schutz. Es ist ein Lebensgefühl, das durch nichts ersetzt werden kann. Einem weinenden Kind, das auf dem Weihnachtsmarkt seine Mama aus den Augen verloren hat, können sich viele fremde Menschen besorgt zuwenden. Geborgen ist es erst dann, wenn es in den Armen der Mutter ruht.
Geborgen in Jesu – Hinwendung zum Göttlichen und die Gemeinschaft Gleichgesinnter pflegen, ist ebenfalls für viele eine gelebte Geborgenheit. Die Sehnsucht nach Nähe und Geborgenheit wird besonders in der modernen Gesellschaftsform immer brisanter. Zeitmangel, beruflicher Stress, Überforderungen im Alltag oder private Probleme lassen bei vielen das Wesentliche sekundär werden. Kinder vor dem Fernseher, am Computer oder mit einem der modernen Spiele aus der digitalen Welt zu „parken“ ist die einfachste und bequemste Form der Unterhaltung. Zeit, Gespräche, Zuwendung, gemeinsame Unternehmungen und liebevolle Nähe dem Kind zu schenken ist viel mehr als die „erforderlichen Überstunden“. Es ist eine ganz persönliche Ermessensfrage, wie und wohin „investiert“ wird.
Warum sehnt sich der Mensch nach Nähe und Geborgenheit?
Die Sehnsucht nach diesem „paradiesischen“ Zustand liegt in den Wurzeln der Menschwerdung. Diese Begriffe vermitteln Entspannung. Ein entspannter Körper und Geist ist in der Regel auch gesund, da mit dem Gleichgewicht der physischen und psychischen Faktoren auch das Immunsystem intakt ist. In einer friedvollen „kleinen und großen“ Welt heranwachsen zu dürfen und auch eine gleichmäßige psychische Entwicklung vom Kind zum Erwachsenen zu erleben, ist ein Geschenk. Mancher Mensch, der keinen Halt im Leben findet, dem der „Boden unter den Füßen weggezogen wird“, gleicht einem „losen Blatt im Wind“. Zu dem wertvollen Lebensgefühl von Nähe und Geborgenheit haben Hilfsbereitschaft und Unterstützung einen festen Platz. Das Empfinden der Gemeinschaft vermittelt außerdem Stärke nach innen und außen.
Jeder Mensch sehnt sich nach einem Ort der Geborgenheit, wo er „zu Hause“ ist, wo er verstanden wird und wo er auf Hilfe hoffen kann.
Menschen, die allein leben, müssen nicht einsam sein und sich auch nicht so fühlen. Menschen in ihrer Nähe, die ihnen wohlgesonnen sind, Freunde und ein ausgewählter Bekanntenkreis sind für manche ein Ersatz für die fehlende Familie. Es liegt in der Natur des Menschen, dass er sich nicht aus dem sozialen Umfeld zurückzieht. Sicherlich gibt es Ausnahmen. Das betrifft meist Kranke, Eremiten oder „Aussteiger“.
Warum sind Nähe und Geborgenheit wichtig?
Die Nähe Gleichgesinnter oder die familiäre Geborgenheit zu erleben ist für Kinder und Erwachsene wichtig. Dabei spielt das soziale Umfeld eine entscheidende Rolle. Kinder, die keine „Nestwärme“ oder Mutterliebe erfahren haben, fehlt das „Urvertrauen“. Die Auswirkungen sind oft Verlustängste, Ängste vor Zukünftigem oder sie haben im späteren Leben sogar Bindungsängste. Menschen, die Liebe empfangen haben werden später auch in der Lage sein, wieder Liebe zu geben. Wer sich geborgen fühlt, ist frei und sehr oft auch glücklich. Das spiegelt sich in seinem Wesen wieder. Offene Kommunikation, Fröhlichkeit und Humor sind Wesenszüge von Menschen, die nicht auf einer „einsamen Insel“ leben.
Umfeld und Faktoren zum (nicht) Geborgensein
Äußere Einflüsse wie Naturkatastrophen, Krieg und Bedrohungen im unmittelbaren Umfeld tragen nicht zur Geborgenheit bei. Gescheiterte Ehen, Kinder, die unter der Trennung der Eltern leiden oder Familien, die durch politische beziehungsweise private Hintergründe getrennt sind, entziehen dadurch die regelmäßige Nähe und Geborgenheit für die Betroffenen. Deshalb ist es besonders für Scheidungskinder wichtig, dass das vorhandene Umfeld sie auffängt, dass sowohl Mutter als auch Vater bestrebt sind, ihrem Kind die Sehnsucht nach Nähe und Geborgenheit zu erfüllen.
In dem heutigen reizüberfluteten Umfeld ist die Schaffung von Ruhezonen eine relevante Form der Geborgenheit. Das eigene Zuhause sollte als Wohlfühl-Oase dienen, wo jeder zu sich selbst und zur Ruhe finden kann. Es sollte geprüft werden, ob eine permanente Erreichbarkeit per Telefon, SMS oder Email erforderlich ist. Sich geborgen fühlen heißt auch, dass statt der Unterhaltung durch Fernseher oder technische Musikquellen die Zweisamkeit oder das Familienleben im Fokus steht. Dem Anderen in Ruhe zuhören können, ist die Basis für Verstehen, Nähe und Geborgenheit.
Was bewirkt das Gefühl der Geborgenheit?
Allein – und dennoch geborgen. Das Gefühl des Geborgenseins können auch allein lebende Menschen empfinden. Dafür die Voraussetzungen schaffen, das ist auch als Single möglich. Hier gilt vorrangig: Wer es schön haben will, muss es sich schön gestalten. Es erledigt kein anderer. Die Geborgenheit kann bei Kerzenschein, angenehmer Musik, einem guten Buch lesen oder dem Tätigsein (Wohnung kreativ gestalten, einem Hobby nachgehen, Telefonate mit Verwandten oder Freunden führen) vorhanden sein. In einem gepflegten Umfeld und Körper fühlt sich auch die Psyche wohl.
Es sind positive Aspekte, wie Freude, Zufriedenheit, Selbstwertgefühl und neue Kraft schöpfen, die sich gesundheitlich auswirken. Der Mensch, der in der Balance ist und in der Geborgenheit sich sicher fühlt, „ruht“ in sich selbst. Krankmachende Faktoren wie negativer Stress, Unordnung, Überforderung und ungesunde Lebensweise haben auch Auswirkungen – aber negative. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Magenprobleme, Burn-out oder ein gestörtes vegetatives Nervensystem können das Ergebnis sein.
Welche Rolle spielt die Partnerschaft?
Erinnerungen an die eigene Kindheit, mit der Geborgenheit bei Vater, Mutter oder Großeltern, werden im Erwachsenenleben in die eigene Familie übernommen. In den meisten Fällen ist das so. In einer gut funktionierenden Partnerschaft vermitteln folgende Faktoren Nähe und Geborgenheit:
• Die körperliche Nähe, Intimität, Sexualität
• Emotionale Bindungen (auf einer „Wellenlänge“ sein)
• Genussvolles Essen bei Kerzenschein
• Entspannung am Kamin, im Bad
• Gemeinsame Interessen realisieren (Sport, Kunst, Kultur)
• Austausch auf geistiger Ebene (musizieren, glauben und beten, vertrauensvolle Gespräche)
• Sich gegenseitig verwöhnen und überraschen
• Für den anderen da zu sein, wenn er Hilfe benötigt
Für das Kleinkind ist es das Lieblings-Kuscheltier, das einen Teil der Geborgenheit ausmacht. In der Partnerschaft sind es erwachsene Menschen, die in allen Lebenslagen füreinander da sind. Das ist Liebe, die Geborgenheit schafft. Was für ein Glück!
Wenn Nähe und Geborgenheit fehlen – Auswirkungen
Die Sehnsucht nach Nähe eines liebenswerten Partners liegt in den menschlichen Genen. Das Ziel ist die Erfüllung von Grundbedürfnissen, wie Fortpflanzung, „Nestbau“, Familienbindung, Zuwendung und Akzeptanz. Gemeinsam lassen sich Probleme, Konflikte, Krankheiten und schwierige Lebenssituationen leichter bewältigen. Für den Anderen begehrenswert zu sein, fördert das eigene Selbstwertgefühl. Müssen Menschen auf Nähe und Geborgenheit verzichten, sind Stressbewältigung und das Verarbeiten von physischen und psychischen Belastungen schwerer. Die Gefahr zur Einsamkeit ist groß, wenn keine Eigeninitiative ergriffen und sich selbst „etwas Gutes“ getan wird. Nicht selten entwickeln sich Depressionen.
Wird nach einer langjährigen, harmonischen Zweisamkeit ein Partner aus dem Leben abberufen, dann ist es in einzelnen Fällen für den Hinterbliebenen eine dramatische Erfahrung, den damit gehen vorerst auch Nähe und Geborgenheit verloren. Erfahrungsberichte belegen, dass der andere Ehepartner nach relativ kurzer Zeit ebenfalls starb. Für ihn war sein Leben sinnlos und leer geworden.
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